Versammlungen der Schulgemeinschaft

DKJS/ Marko Northe

Schuljahresauftakte, Jahreszeitenfeste, Aufführungen, Abschlüsse, Zukunftskonferenzen, Projektvorstellungen – im Jahreskalender einer Ganztagsschule sind solche Veranstaltungen meist wichtige Höhepunkte.

Sie können viel zum Gemeinschaftsgefühl und einer demokratischen Schulkultur beitragen und sowohl einmalige Ereignisse als auch verbindende Rituale werden.

Was verstehen wir unter Versammlungen der Schulgemeinschaft?

Versammlungen der Schulgemeinschaft sind Orte des öffentlichen Diskurses und Gemeinschaftserlebens an der Schule und dienen der Diskussion relevanter Themen und der Informationsweitergabe.

Darüber hinaus bieten sie Raum für die Wertschätzung besonderer Leistungen und Erfolge und Möglichkeiten, die Vielfalt des schulischen Lebens zu präsentieren. Dadurch leisten sie einen Beitrag zur Identifikation mit der Schule.

Der Grad der Selbstorganisation ist unterschiedlich, idealerweise wird die Versammlung von den Schüler:innen selbst vorbereitet und gestaltet und diese erhalten dafür (Unterrichts-)Zeit und pädagogische Begleitung.

Es gibt vielfältige Modelle, Versammlungen ins Schuljahr zu integrieren, die hinsichtlich inhaltlicher Schwerpunkte und Organisation variieren. Eine einmal jährlich stattfindende Auszeichnungs- oder Wertschätzungsveranstaltung befördert eine Kultur des Dankens und Lobens und der Auszeichnung an Schulen.

Im angelsächsischen Raum sind solche Formen ritualisierter Wertschätzung geläufiger, in Deutschland sind es vor allem reformpädagogische Schulen, die dies in ihren Schulalltag integriert haben. Aber auch andere Schulen haben hiermit bereits positive Erfahrungen gemacht – auch mehrfach im Jahr (etwas als Schuljahresanfangsassembly, Weihnachtsassembly und Schuljahresabschlussassembly).

Zum Teil werden auch Wertschätzungselemente in Schülerversammlungen aufgenommen. Versammlungen können auch häufiger (z.B. in 14-tägigem Turnus) stattfinden, dann zumeist für einzelne Jahrgangsstufen. Hier liegt der Fokus noch stärker auf dem partizipativen Element: Wesentlich ist, dass die Schüler:innen eigene Themen einbringen und (z.B. klassenweise) vorbereiten und präsentieren.

Praxisbeispiele von Grundschulen

Es gibt einige Berliner Grundschulen, die im Ablauf ihrer Schülervollversammlungen Elemente von Wertschätzung integriert haben und auf deren Websites darüber berichtet wird:

Praxisbeispiele von weiterführenden Schulen

Hermann-Hesse-Gymnasium

Innerhalb eines Jahrzehnts von einer baufälligen Problemschule zu einer Vorzeigebildungsstätte, mit der sich Schüler:innen, Lehrer:innen und Eltern leidenschaftlich identifizieren: Das Hermann-Hesse-Gymnasium in Berlin-Kreuzberg ist beispielhaft dafür, was partizipative Praxis und Engagement bewirken können. Wie kommt es, dass die Schüler:innen so pfleglich mit dem Schulgebäude umgehen? Dass es vollkommen frei von Vandalismus ist? Die Schulleiterin Sylke Roschke hat darauf eine klare Antwort: Partizipation und Identifikation. „Wir wollen, dass sich die Kinder an ihrer Schule wohlfühlen, dass sie sie mitgestalten, mehr noch: dass sie sich für sie einsetzen und sie verteidigen“, sagt die Schulleiterin.

Um diese Identifikation mit der Schule zu stiften, haben Roschke und ihre Pädagog:innen diverse Maßnahmen eingeführt. Zentrales Element sind die Wertschätzungsveranstaltungen zum Halbjahr und am Ende des Schuljahrs in der Aula. Auf dieser werden Schüler:innen für besondere Leistungen ausgezeichnet. Dabei geht es aber nicht nur darum, wer die besten Noten hat. Eine Urkunde erhalten auch die, die die größten Leistungssprünge gemacht haben.

„Die bekommen dann einen tosenden Applaus von der ganzen Schülerschaft“, so Roschke. „Wir hatten einen Schüler, der sich vom Halbjahr zum Endjahr in fünf Fächern verbessert hat. Als er die Urkunde bekam, konnte er es kaum glauben. Später hat er sein Abi mit einer Eins vor dem Komma gemacht. Er hat mir danach gesagt: Die Auszeichnung sei für ihn der Moment gewesen, in dem ihm klargeworden war, dass er einen guten Abschluss schaffen kann und auch will.“ Die Urkunden werden von Roschke selbst ausgehändigt. „Das muss selbstverständlich die Schulleiterin machen, für das Gefühl der größtmöglichen Wertschätzung.“

„Es gibt Progressionsstufen im Tadeln und Bestrafen. Warum nicht auch mal in positiver Richtung, wenn es um Lob und Anerkennung geht?“, fragt Roschke. „Das kann man an jeder Schule übernehmen.“

Ausgezeichnet wird u.a. in den Kategorien „Leistungsstärkste:r“, „Soziales Engagement“, „Jahrgangsbeste:r“ und Leistungsaufsteiger:in“. Insbesondere die letzte Kategorie – wer hat sich am stärksten verbessert – hätte große Effekte in Sachen Identifizierung mit der Schule, berichtet die Schulleiterin. Die ausgezeichneten Schüler:innen erhalten eine Urkunde (auf festes Papier und in Farbe gedruckt), aber auch mit dem Schullogo versehene T-Shirts und Hoodies. Diese können nicht käuflich erworben werden und sind unter den Schüler:innen heiß begehrt.

Refik-Veseli-Schule (Integrierte Sekundarschule) 

An der Refik-Veseli-Schule kommt die ganze Schulgemeinschaft regelmäßig für eine Veranstaltung zusammen: die Assembly. Die Assembly wird von Schüler:innen vorbereitet und moderiert. Das Zusammenkommen für eine Unterrichtsstunde bringt Schüler:innen verschiedener Jahrgänge zusammen, macht die vielfältige Arbeit im und außerhalb des Unterrichts sichtbar und schafft eine gemeinsame Informationsbasis über Schulthemen und gesellschaftliche Themen. Die Assembly hat sich an der RVS etabliert als Ort der Schüler:innen-Partizipation zur Stärkung der Schulkultur, zur Belebung eines Gemeinschaftsgefühls, zur politischen Bildung und zur Wertschätzung von Diversity in der Schulgemeinschaft, so heißt es auf der Website der Schule.

Eine Besucherin der SAG hat am Ende der Assembly den Eindruck, dass die Schüler:innen spürbar erfahren haben, dass sie wichtig sind, Einfluss nehmen können und etwas bewirken. Einblicke gibt sie in diesem Erfahrungsbericht:

Die Spannung steigt:

Es ist Mittwochmorgen, 7:50 Uhr und in der Turnhalle einer Berliner Schule ist schon fast alles vorbereitet: Der Beamer ist aufgestellt, das Bild an der Wand begrüßt alle zur Assembly, einzelne Teppichbahnen sind schon ausgerollt, auf denen nachher die Schüler:innen sitzen. In ein paar Minuten werden die 9. und 10. Klassen die jeweilige Klassenbeschilderung auf den Teppichen verteilen. Jetzt erklingt auch Musik aus den Lautsprechern. Der Soundcheck mit den Mikros muss noch erfolgen und die Powerpoint-Präsentation erhält noch ihren letzten Schliff.

Es liegt ein wenig Spannung in der Luft: Wird alles klappen? Werden die Mitschüler:innen  zuhören? Gelingt es mit der Einspielung der Videoausschnitte? Immerhin ist das heute erst die zweite Assembly in diesem Schuljahr und es sind 150 neue Schüler:innen an der Schule.

Die Assembly beginnt:

8.10 Uhr: Die ersten kommen und setzen sich auf ihren gekennzeichneten Teppichabschnitt. Und pünktlich um 8:20 beginnt das Programm. In der Turnhalle sind jetzt fast alle Klassen der Schule vollzählig versammelt.

„Herzlich Willkommen zur 2. Assembly ‚Ihr habt die Wahl‘ in diesem Schuljahr!“ Zwei Schüler:innen begrüßen als Moderator:innen die Anwesenden. Erwähnt werden auch die Gäste der Serviceagentur Ganztag Berlin und die frühere Schulsprecherin, die vorbeigekommen ist, um zu sehen, wie es so läuft.

„Ich sage jetzt nochmal die Regeln, die jetzt hier gelten“, fährt eine der Moderatorinnen mit klarer Stimme fort und alle hören zu.

In der Assembly geht es Schlag auf Schlag:

  • Erst das Wort zum Mittwoch, in dem die Schulleiterin begrüßt, das Thema aufgreift und auch die neuen Kolleg:innen in der Schulgemeinschaft willkommen heißt. Es wird geklatscht; die Atmosphäre ist freundlich, aufmerksam, fast entspannt.
  • Im Quiz treten heute zum Thema Fußball zwei Schüler:innenteams gegeneinander an. Es gibt viele, die mitmachen wollen. Nach jeder Frage wird die Antwort eingeblendet und noch ein kleiner Film mit Fakten eingespielt. Es gewinnt das Team einer neunten Klasse.
  • In der Klassenvorstellung präsentiert sich heute eine der 9. Klassen: Die Schüler:innen haben sich in den vergangenen Wochen bei einem Filmprojekt mit der Frage „Was bedeutet Migration?“ beschäftigt. Die gezeigten Interviews mit Menschen aus den Bezirken Kreuzberg und Marzahn/Hellersdorf berühren. Es gibt viel Applaus für diesen gelungenen Beitrag.
  • Doch schon geht es weiter mit dem schuleigenen Radiosender, bei dem die beiden Moderator:innen über die aktuellen Wahlergebnisse in Berlin und den Bezirk der Schule informieren sowie schulinterne Termine und Informationen weitergeben. Und nach den Wetternachrichten geht´s dann weiter mit der
  • Vorstellung der SV Kandidaten, die sich kurz vorstellen und benennen, was sie alles verändern möchten und warum sie kandidieren. Fünf Jugendliche stellen sich zur Wahl.
  • Bei „Hingeguckt“, einem Live-Experiment, gehen heute zwei Schüler des 8. Jahrganges der Frage nach, warum ein senkrechter Pfeil seine Richtung ändert, wenn man ein rundes Glas mit Wasser davorstellt und warum das bei einem geraden Glas nicht passiert.

Und dann ist auch schon Schluss: Pünktlich um 8:58 Uhr wird der nächste Assemblytermin in 3 Wochen verkündet. Alle werden verabschiedet. Heute muss die Klasse 9/3 beim Aufräumen helfen. Alle andern verlassen langsam die Turnhalle.

Eine gelungene Assembly ist ein Gemeinschaftswerk

Wir Besucherinnen sind berührt und beeindruckt von dem Engagement und der tollen Atmosphäre hier in der Schule. Wir freuen uns, dass sich die begleitenden Lehrkräfte noch zwei Stunden für uns Zeit nehmen, um alle unsere Fragen zu beantworten. Es wird deutlich, dass hier Kolleg:innen mit besonderem Engagement und Herzblut bei der Sache sind.

Seit 2009 gibt es die Assembly an diesem Standort. „Wir haben hier ganz klein angefangen. Das kann jeder. Mit kleinen Schritten geht´s!“ Beim Erzählen wird deutlich, dass der Kollege viel Zeit in die Vorbereitung der Moderator:innen investiert. Ihm liegen besonders die neuen Schüler:innen aus den 7. Klassen am Herzen, die er für die Mitarbeit begeistern möchte. „Es ist so wichtig, dass diejenigen, die es sonst nicht so leicht haben, hier einmal zeigen können, was noch in ihnen steckt!“

Der andere Kollege unterrichtet zwei Profilkurse, die sich mit der Vorbereitung der Assembly beschäftigen: Politik und demokratische Erziehung. Im Rahmen dieses Unterrichts entstehen die Beiträge für die neuesten Nachrichten aus der Gesellschaft, der Politik und der Schule.

Doch eine gelungene Assembly ist ein Gemeinschaftswerk. Zusätzlich bereitet die präsentierende Klasse etwas vor und ein Kollege aus dem Bereich Naturwissenschaften betreut das Experiment.

Sicher ist, dass diese Vollversammlung sehr zur Identifikation aller mit der Schule beiträgt, dass die Schüler:innen spürbar erfahren, dass sie wichtig sind, Einfluss nehmen können und etwas bewirken.

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