Nahezu alle weiterführenden Ganztagsschulen etablieren Bildungselemente, in denen individuelles Lernen stattfinden kann. Denn ein Versprechen der Ganztagsschule ist es, dass die Schüler:innen möglichst viele ihrer Aufgaben in der Schule erledigen können und damit zusätzlichen Raum zur Kompetenzentwicklung erhalten. So können Hausaufgaben zugunsten von Schulaufgaben reduziert und bei Bedarf Unterstützung angeboten werden.

Jede Schule findet dabei schulspezifische Antworten auf die Frage, wie das individuelle Lernen über den ganzen Tag unterstützt werden kann. Diese Antworten hängen mit den Bedingungen vor Ort und den Bedarfen der jeweiligen Schüler:innen zusammen. Bei der Entwicklung dieser Antworten können verschiedene Fragen leitend sein:

• Sollen die Schüler:innen dabei durch pädagogisches Personal begleitet sein oder
eigenverantwortlich arbeiten? (im Schaubild x-Achse, s. S. 2)
• Soll das Setting eher für Einzelarbeit oder gemeinsame/kooperative Arbeit geeignet sein? (im
Schaubild y-Achse).
• Exklusivität oder Parallelität? Mit welchen Bildungselementen/Angeboten liegen die
Lernzeiten parallel oder sind sie verpflichtend/exklusiv?
• Intensität und Fachlichkeit der Begleitung oder Aufsicht: Wer leitet die Lernzeiten an oder ist
als Ansprechperson anwesend? Wieviel Hilfestellung ist möglich oder vorgesehen.
• Wie kann Lernerfolg sichtbar gemacht und selbstreguliertes Lernen unterstützt werden?
(Zum Beispiel: Vorbereitung im Vorfeld, Trainieren und Reflexion der Lernstrategien,
Aufgreifen im Unterricht)
• Welche Aufgaben sollen bearbeitet werden?
• Wie sind diese Aufgaben mit dem (Fach-)Unterricht verschränkt?

Vor allem zwei Funktionen werden Schulaufgaben zugeschrieben:

  •  eine didaktische Funktion (im Sinne von Übungs- und Vertiefungsmöglichkeiten) und
  •  einen erzieherische Funktion (Entwicklung von Selbständigkeit und Selbstverantwortung bei der Bearbeitung von Aufgaben – im Sinne der Entwicklung von Lernstrategien und Arbeitstechniken)

Lernzeiten ist ein Oberbegriff für diverse Ansätze in der Praxis, Hausaufgaben durch andere Formate am Ort Ganztagsschule zu ersetzen (vgl. dazu auch Nordt 2020 und Schulz-Gade/Balke 2024, s. Literaturverzeichnis letzte Seite).

Die SAS wurden im Zuge der Schulstrukturreform an Berliner Integrierten Sekundarschulen (ISS) eingeführt und stehen den Schüler:innen als verpflichtendes Angebot im Umfang von 1-3,25 Stunden zur Verfügung. Es sind Zeiteinheiten, in denen Schüler:innen vormittags, mittags oder nachmittags an vorgegebenen oder selbst gewählten Aufgaben arbeiten, in der Regel betreut von Fachlehrer:innen. Der Umfang der Schülerarbeitsstunden ist abhängig von der Organisationsform des Ganztagsbetriebs. (vgl. Schulgesetz § 14 Ganztagsbetrieb und

• Sollen die Schüler:innen dabei durch pädagogisches Personal begleitet sein oder
eigenverantwortlich arbeiten? (im Schaubild x-Achse, s. S. 2)
• Soll das Setting eher für Einzelarbeit oder gemeinsame/kooperative Arbeit geeignet sein? (im
Schaubild y-Achse).
• Exklusivität oder Parallelität? Mit welchen Bildungselementen/Angeboten liegen die
Lernzeiten parallel oder sind sie verpflichtend/exklusiv?
• Intensität und Fachlichkeit der Begleitung oder Aufsicht: Wer leitet die Lernzeiten an oder ist
als Ansprechperson anwesend? Wieviel Hilfestellung ist möglich oder vorgesehen.
• Wie kann Lernerfolg sichtbar gemacht und selbstreguliertes Lernen unterstützt werden?
(Zum Beispiel: Vorbereitung im Vorfeld, Trainieren und Reflexion der Lernstrategien,
Aufgreifen im Unterricht)
• Welche Aufgaben sollen bearbeitet werden?
• Wie sind diese Aufgaben mit dem (Fach-)Unterricht verschränkt?

Wie kann das realisiert werden? Varianten des individuellen Lernens über den ganzen Tag
und Einblicke in die Praxis

Um die eigene Schulpraxis zu reflektieren oder auch neue Formate für individuelles Lernen zu entwickeln, kann man sich in diesem Schaubild orientieren. Die beiden ersten der oben genannten Fragen sind hierzu in einem Koordinatensystem zueinander ins Verhältnis gesetzt. Die verschiedenen Formate, die sich daraus ableiten lassen, konkretisieren wir mit Praxisbeispielen (a-e), die uns in Beratungen und anderen Kontexten begegnet sind. Falls Sie ein Praxisbeispiel ergänzen möchten, können Sie sich gerne an uns wenden.

DKJS/ SAG Berlin

Das Lerncoaching mit einzelnen Schüler:innen ist eine intensive Form der Begleitung von Schüler:innen durch Erwachsene, in der Regel Lehrkräften und/oder Sozialpädagog:innen. Wie man das als Schule angehen kann, welche Prinzipien sich hierbei bewährt haben, lesen Sie in unserem Hintergrundtext. Verschiedene inspirierende Beispiele finden Sie hier in der Rubrik „Lernen aktiv begleiten durch Lernberatung“ innerhalb unseres Modules „Lernen über den ganzen Tag“. Zwei dieser Beispiele sind hier noch mal herausgehoben: Portrait des Gottfried-Keller-Gymnasiums: Pro Schuljahr nehmen etwa 20 bis 30 Schüler:innen das Angebot wahr. Meistens arbeiten Coach und Coachee zwei bis drei Monate zusammen, die Termine werden individuell in den Pausenzeiten oder nach 16 Uhr verabredet. Die Treffen finden in der Regel einmal wöchentlich statt und dauern 30 bis 50 Minuten lang. Bei Herausforderungen rund um das selbstorganisierte Lernen helfen den Schüler:innen oft schon wenige Coachings dabei, sich selbst zu strukturieren. „Manche haben aber auch psychische Belastungen, bei denen sie jemanden brauchen, mit dem sie reden können und der hilft, ihre Fragen einzuordnen. Das kann dann länger dauern“, so Gabriel Dube, leitender Sozialpädagoge, der dieses Konzept maßgeblich an der Schule mitentwickelt hat.

Praxisbeispiel Käthe-Kollwitz-Gymnasium: Schüler:innen können das Lerncoaching aufsuchen, um in einem individuellen, professionellen Coaching Lernstrategien zu optimieren, Ziele festzulegen und gemeinsam an Lösungswegen zu arbeiten. Lerncoaching ist für alle Leistungsbereiche gedacht und keine fachliche Nachhilfe. Das Format wird an einem Tag in der Woche im LernRaum angeboten. Das Lerncoaching dauert ca. 2 bis 6 Termine im Umfang von 20 bis 60 Minuten pro Termin. Wichtig ist die Motivation der Schüler:innen und der Wunsch, die eigene Lernstrategie zu optimieren oder den Lernprozess zu verbessern.

Manche Schulen gestalten die Schülerarbeitsstunden als fachgebundene Formate. Häufig beziehen
sich fachgebundene Übungsformate auf die Hauptfächer. Manche Schulen gehen den Weg über die
Kooperation mit externen Kooperationspartner:innen, z.B. Nachhilfeinstituten, die mehrere Fächer
abdecken. Andere Schulen bieten z.B. in den Randstunden oder im Mittagsband Förderangebote an,
die in bestimmten Räumen von Fachlehrkräften oder älteren Schüler:innen1 betreut werden. Diese
nehmen die Rolle eine:r Lernbegleiter:in ein, die Schüler:innen arbeiten selbstständig mit
selbstmitgebrachtem oder vorhandenem Material an für sie wichtigen Inhalten/Aufgaben. Ob die
Teilnahme von den Schüler: innen selbst entschieden wird oder aber Empfehlungen von den
Klassenlehrer:innen in Absprache mit den Eltern ausgesprochen werden, wird unterschiedlich
gehandhabt. Bekannt ist dieses Format auch als „TÜFF“ (Trainieren-Üben-Fördern-Fordern) oder TÜV
(trainieren, üben, verstehen).

 

Praxisbeispiel Heinz-Brandt-Schule: „Im TÜFF-Angebot (Trainieren-Üben-Fördern-Fordern)
vertiefen und üben die Schüler:innen mit Unterstützung eine:r Fachlehrer:in den
Unterrichtsstoff. Je nach Jahrgang haben sie drei oder vier Stunden in der Woche rund um die
Mittagszeit, in der sie z.B. Aufgaben für den Unterricht erledigen, für Klassenarbeiten lernen,
sich auf Präsentationen vorbereiten oder nicht Verstandenes aufarbeiten. Zum Wochenbeginn
wählen die Schüler:innen ihre TÜFF-Stunden nach Bedarf: Sie können zwischen Deutsch,
Mathematik Englisch, sowie Natur und Spanisch wählen und dadurch bei Bedarf einen
Fachbereich stärker bearbeiten. Gleichzeitig ist gewährleistet, dass die Gruppengröße 18
Schüler:innen nicht übersteigt und eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre bestehen bleibt.“
Hier finden Sie den Modell-Stundenplan aus dem Schuljahr 2020/2021.
Praxisbeispiel Käthe-Kollwitz-Gymnasium: Hier gibt es das sogenannte Lernstudio – ein
alternativer Begriff für ein Angebot der Schulaufgabenbetreuung, das an einem Tag der
Woche für jeweils 165 Minuten in der Schulbibliothek stattfindet. Die Schüler:innen können
hier Hausaufgaben erledigen oder die Zeit nutzen, um sich auf Tests, Klassenarbeiten oder
Vorträge vorzubereiten. Individuelle Lern- und Erfolgsprozesse werden sichtbar gemacht. Die
Teilnahme ist freiwillig; Schüler:innen können auch einfach unangemeldet vorbeikommen.
Die Betreuer:innen sind ehemalige Schüler:innen oder Studierende, die durch einen
professionellen Anbieter vergütet werden.
Praxisbeispiel Käthe-Kollwitz-Gymnasium: Im Format „Lernlift“ findet in Kooperation mit
einer Firma statt. Hier unterstützen Lehrkräfte Schüler:innen, die Schwierigkeiten in den
Fächern Deutsch, Mathematik, Chemie, Französisch und Deutsch als Zweit- oder
Fremdsprache oder im Rahmen einer Lese-Rechtschreib-Schwäche haben. Ziel ist die
besondere Förderung von Schüler:innen in den Kernfächern. Der Besuch des Lernlifts wird
von Fachlehrer:innen festgelegt und erfolgt für ein individuell vereinbartes Intervall. Die
Intervalle sind die Zeiträume zwischen den vier im Schuljahr festzulegenden Benotungen Die
Teilnahme ist für ausgewählte Schüler:innen verpflichtend. In kleinen, max. zehnköpfigen
Gruppen erhalten sie spezielle Übungsangebote für das jeweilige Unterrichtsfach.

Manche Schulen organisieren die SAS oder sog. Lernzeiten als feste Zeitfenster in der Stundentafel
einer Lerngruppe oder Klasse – zum Zweck des selbstorganisierten Lernens der Schüler:innen anhand
von vorgegebenen, im Idealfall differenzierten Aufgaben (bspw. Wochenplan). Betreut werden diese
Zeiten in der Regel von Klassenlehrer:innen und/oder Fachlehrer:innen.
Praxisbeispiel Carl-von-Ossietzky-Schule: An dieser Schule gibt es ein Zeitraster, das
Grundlage für einen rhythmisierten ganztägigen Schultag ist. Phasen des Lernens, Übens und
Vertiefens wechseln sich mit Phasen des freien Spiels ab. In der PerLe (persönlichen Lernzeit)
können die Schüer:innen außerhalb der Unterrichtsstunden in einzelnen Fächern Zeiten des
Lernens, Übens und Vertiefens wahrnehmen. Die Lernzeit wird in den Klassen von der
Klassenlehrer:in oder Klassenerzieher:in betreut.

Vormals bekannt als klassischer Förderunterricht gibt es an manchen Schulen mehr und mehr
Angebote, die sich an Kleingruppen richten. Das kann man fächerbezogen oder aber
methodenorientiert realisieren und durch einen Coach oder eine Fachlehrkraft begleiten.
Material aus dem digitalen Themenmodul
Lernen über den ganzen Tag
www.sag-berlin.de Seite | 5
Praxisbeispiel Käthe-Kollwitz-Gymnasium: Hier gibt es das Format „Lernstudio“, das für
Schüler:innen eingerichtet wird, um möglichst individualisiert zu fördern und den Übergang
von der Grundschule auf die weiterführende Schule bestmöglich zu begleiten. Die
Schüler:innen werden in Kleingruppen (max. 10 Personen) zeitlich begrenzt (für max. sechs
Stunden) von Fachlehrer:innen unterrichtet. Der Aufgabenpool wird schulintern erarbeitet.
Die Lernstudios finden zeitgleich zu Neigungsangeboten statt.

Lernzeiten als offenes Format finden häufig an besonderen Lernorten statt. Das können feste Räume
wie Mediatheken, Bibliotheken, Computerraum, grünes Klassenzimmer oder aber auch flexible
Räume wie in der Compartmentschule sein. Zu beachten ist, ob diese Settings für das Arbeiten in
Gruppen geeignet sind – also Gespräche stattfinden dürfen – oder aber der Stillarbeit dienen. Diese
Räume können für Schüler: innen selbstgesteuerte bzw. weitgehend unbeobachtete Räume sein oder
aber von Erwachsenen betreute Räume. Oft lassen Schulen diese nicht durchgehend von Lehrkräften
betreuen, sondern arbeiten hier mit Medienpädagog:innen zusammen.
Praxisbeispiel Hermann-Hesse-Gymnasium:
Die Mediathek ist organisiert wie eine Bibliothek, nicht wenige Schüler: innen kommen in den
Pausen und der Selbstlernzeit hierher, um zu lernen. Die Schulleiterin Frau Roschke erzählt
im Schulporträt mit der SAG: „Es gab einen Antrag der GSV, die Mediathek bis um 17 Uhr
offen zu halten. Wir konnten das kaum glauben, aber wir haben das natürlich gemacht.“
Praxisbeispiel Gottfried-Keller: Die Schule bietet verschiedene besondere Lernorte an. In der
Mediothek kann an in einer angenehmen Atmosphäre selbständig und konzentriert an
eigenen oder schulischen Projekten arbeiten. In den Lernlandschaften können die
Schüler:innen selbständig arbeiten; diese stehen teilweise auch in den Mittagsbändern zur
Verfügung. Über das Schulporträt und die Stundenpläne erhalten Sie einen Einblick, wie das
Ganztagsgymnasium eigenständiges Lernen in den Studienzeiten realisiert.
Praxisbeispiel Schulbauprojekt in der Allee der Kosmonauten und (für Grundschulen)
Praxisbeispiel 49. Grundschule Berlin Pankow: An diesen Schulen können in kleineren,
flexibel nutzbaren Unterrichtsbereichen gelernt werden. Im Mittelpunkt eines Compartments
befindet sich das Forum, das als offener zugänglicher Bereich vielfältig genutzt werden kann;
z.B. als Treffpunkt, Arbeitsraum, Besprechungs- und Bewegungsraum oder als Pausenfläche
mit viel Platz für Rückzug und Erholung. Einen Einblick in die erste fertiggestellte
Compartmentschule Berlins erhalten Sie in diesem Film. Mehr erfahren Sie in dieser
Übersicht. Die Berliner Schulbauoffensive realisiert in Zukunft auch weiterführende Schulen
im Compartment-Stil wie z.B. den Schulstandort Am Breiten Luch.

Weiterführende Informationen zu Hausaufgaben, Schulaufgaben und Lernzeiten erhalten Sie in diesen Fachartikeln:

Nordt, Gabriele (2020): Hausaufgaben-Schulaufgaben-Lernzeiten. In: Bollweg, Petra; Buchna, Thomas; Coelen, Thomas; Otto, Hans-Uwe (Hrsg.): Handbuch Ganztagsbildung. Wiesbaden, Springer VS, S. 1045-1061.

Schulz-Gade, Gunild & Balke, Dörte (2024): Lernzeiten im Ganztag in Theorie und Praxis. Grundschule, Sekundarstufe I und II. Debus Pädagogik. Hierin besonders erwähnenswert der Artikel zu einer Berliner Sekundarschule – Miriam Pech & Stefan Grzesikowski: Freie Lernund Arbeitszeiten an der Heinz-Brandt-Schule Berlin (S. 88-100).

1Wir benutzen hier den Begriff der Lernberatung, weil es der weiter gefasste Begriff ist und damit auch kürzere wiederkehrende Sequenzen in der Begleitung von Schüler:innen, z.B. auch im Unterricht umfasst.

2Siehe Kramer (o.J.) in „Entwicklung eines Lerndiagnose-Monitorings für Lehrkräfte Zwischenergebnisse eines Arbeitsprozesses zur Weiterentwicklung der eigenen Diagnosekompetenz von Lehrkräften im BLK-Projekt Lebenslanges Lernen (Grundschule)“ unter Lernkompetenzen beobachten, beurteilen und fördern (die-bonn.de), letzter Abruf 12.02.2024, S. 11.

3siehe Entwicklungsstörung der schulischen Fertigkeiten (gesundheitsinformation.de), letzter Abruf 12.02.2024

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